Hallo Ham,
wenn bei uns ein Wurf lag (ich habe Sps und Ss gezüchtet), dann bin ich mit jedem einzelnen Welpen, wenn sie gut 7 Wochen alt waren, an der Leine durch unser Wohngebiet gelaufen (ich war zwei Nachmittage dafür unterwegs). Ich wollte sehen, wie der einzelne Welpe veranlagt ist und da gab es zum Teil große Unterschiede. Im gleichen Wurf gab es einen Welpen, der auf alles zu lief, der an den Rollschuhen der Kinder geknabbert hat, der nur neugierig und kein bisschen zurückhaltend war. Es gab einen Welpen, der sich erst mal auf seinen kleinen Poppes setzte, um sich alles in Ruhe anzuschauen und es dann zu untersuchen. Es gab einen Welpen, der sich erst einmal vor jedem Blatt erschreckte, der am liebsten auf meinen Füßen saß und viel Zeit brauchte, um sich mit einer Situation auseinander zu setzen. Es gab einen Welpen, der allem gegenüber neutral war, sich weder groß aufregte, noch besonders begeistert von etwas war. Alle diese Welpen hatten die gleichen Eltern, sind bei uns unter den gleichen Bedingungen aufgewachsen und gefördert worden. Ich will dir damit sagen, dass es DEN Schnauzer nicht gibt. Es gibt eine Grundveranlagung der Rasse. Darum hütet ein Hütehund, schützt ein Herdenschutzhund usw..Unsere Schnauzer sind von der Grundveranlagung her raubzeugscharf, das heißt, sie waren Ratten- und Mäusefänger, mussten deshalb einen Jagdtrieb, Beutetrieb und auch ein gewisses Aggressionspotential haben. In vielen steckt dieses Erbe noch drin, in manchen nicht mehr. Ich habe mit meinem Julchen einen Pfeffischnauz, der keinem Tier etwas tut. Wenn die Kaninchen ihr zwischen die Beine Laufen, springt sie drüber weg, damit ihnen nichts passiert. Sie liegt auf der Terrasse vor einem Igel, der die Stacheln NICHT aufgestellt hat und "unterhält" sich mit ihm. Sie macht mich auf verletzte Vögel aufmerksam und legt sich neben sie. Julchen ist also als Schnauzer völlig aus der Art geschlagen, sie ist sozusagen "Mutter Teresa" unter den Schnauzern
Wer nur sie kennt würde sagen, dass DIE Schnauzer aber ein freundliches Wesen und überhaupt keinen Jagdtrieb, Beutetrieb und Aggressionspotential haben.
Die alles nur zur Erklärung, dass es DEN Schnauzer nicht gibt.
Wenn dein Hund wirklich so scheu und ängstlich ist, wie du es beschreibst, ist entweder die Wesensveranlagung nicht gut und/oder es wurde bei der Aufzucht vieles versäumt. Während der Prägephase gehen Zeitfenster auf, die genutzt werden müssen, um den Hund an so viele Außenreize wie möglich zu gewöhnen. Sind diese Fenster zu, gibt es wenig bis keine Möglichkeiten, das noch nachzuholen. Hunde, bei denen das versäumt wurde, müssen praktisch ihr ganzes Leben unterstützt und gefördert werden, um ein Level für Belastbarkeit zu erreichen, mit dem der Hund einigermaßen entspannt leben kann. Das ist deine Aufgabe. Du musst deinem Hund ein sehr guter Leitmensch sein, du musst ihm Sicherheit und vor allen Dingen Vertrauen in dich geben. Er muss sicher sein können, dass notfalls DU etwas regelst, was er nicht kann. Das gibt ihm Sicherheit und aus dieser Sicherheit heraus kann er lernen, dass das Leben doch nicht so gefährlich ist, wie es ihm erscheint.
Grüße von
Rita