idem–Das Kreuz mit dem Kreuz auf Deutschlands Rezepten.
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Juli 12, 2008 14 Comments
Als Hausarzt bin ich immer wieder mit folgendem Problem konfrontiert:
Einer meiner Patienten hat bislang immer Delix plus von der Firma Sanofi-Aventis gegen seinen Bluthochdruck eingenommen. Heute bekommt er von seiner Apotheke überraschend Ramipril plus von der Firma Hexal ausgehändigt. Sein Problem ist das vieler deutscher Patienten: Sein Hausarzt, also ich, hat das Medikament auf dem Rezept nicht mit einem Kreuz gekennzeichnet.
Nur mit Kreuz im „aut idem“- Kästchen (aut idem = oder das Gleiche) links neben dem Medikament ist der Apotheker verpflichtet genau das Präparat ausgeben, das auf dem Rezept steht. Ist kein Kreuz im „aut idem“ – Kästchen vorhanden, muss zwar die identische Wirkstoffzusammensetzung gewährleistet sein, der Apotheker ist aber verpflichtet, dem Patienten eine der drei preisgünstigsten Varianten des Medikamentes auszuhändigen, die auf dem Markt verfügbar sind. Falls vorhanden, muss er neuerdings ein Präparat der Firma ausgeben, mit dem die Krankenkasse, die den Kopf des Rezeptes ziert, einen Rabattvertrag ausgehandelt hat.
Nun könnten Patienten meinen, ihr Hausarzt bräuchte seinen Computer nur so einzustellen, dass automatisch ein Kreuzchen erscheint. Alle Beteiligten hätten dann ein einfacheres Leben. Großmutter und Großvater würden Ihre Tabletten wiedererkennen, der Apotheker bräuchte nicht lange nach Ersatz zu suchen und sich anschließend beschimpfen zu lassen und dem Hausarzt würde manche Diskussion erspart. Aber so einfach ist das Leben im deutschen Gesundheitswesen nicht.
Ärzte fürchten Honorarkürzungen
Der Gesetzgeber hat sich im Zuge einer seiner vielen Sparverordnungen neue Regelungen ausgedacht. Was das „aut idem“- Kreuz betrifft, lautet sie kurz gefasst so: Rezepturen mit Kreuz belasten das Medikamenten-Budget des Arztes, Rezepte ohne Kreuz nicht. (Dies ist so nicht ganz korrekt, ist aber eine treffende Zusammenfassung dessen, was die meisten Ärzte unter dieser Regelung verstehen.) Weil nun aber Ärzte nichts mehr fürchten als einen Regress (Honorarkürzung), verzichten sie immer häufiger auf das Kreuz. Diese Ängste sind nicht unberechtigt, denn allenfalls eingeweihte Spezialisten verstehen das Regelwerk, nicht aber der normale niedergelassene Arzt.
Allgemeine Verunsicherung
Die Probleme, die aus solchen Anweisungen entstehen sind vielfältig: Verunsicherung der Patienten durch unterschiedliche Form und Farbe der Tabletten, durch unterschiedliche Teilbarkeit, unterschiedliche Verträglichkeit und unterschiedliche Herstellungsqualitäten. Der Arzt vermisst eine kontinuierliche Therapie, darüberhinaus entsteht ein nicht zu unterschätzender Autoritätsverlust des verschreibenden Arztes. Wenn sein Rezept keine Gültigkeit mehr hat, wie ist es dann generell mit seinen Verordnungen?
Erstaunliche Ruhe unter den Betroffenen
Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass die Ärzte allenfalls mit zaghaften Protesten reagieren. Noch erstaunlicher ist, dass auf Seiten der Patienten nichts passiert. Patienten und Hausärzte sind wie immer dankbare Opfer. Sie lassen sich alles gefallen. Sie machen jede Kehrtwendung mit, die sinnvollen und die haarsträubenden. Im Gegenteil, diese beiden wichtigsten Gruppen des Gesundheitswesens tun dem System noch den Gefallen, sich gegenseitig zu zerfleischen, beispielsweise eben im Kampf um das „aut-idem“-Kreuzchen.
Ich würde Ihnen gerne sagen, wie ich es mit dem Kreuzchen handhabe, aber ich bin mir selbst nicht sicher. Einmal denke ich, ich lasse mir doch nicht vorschreiben, was ich machen soll, ein anderes Mal fürchte ich hoffnungslos zur Kasse gebeten zu werden, falls es einmal ernst wird mit meinem Arzneimittelbudget. Eines ist allerdings klar: Solche Regelungen rauben einem Hausarzt den letzten Nerv.
(Übrigens: Sollte der Leser der vorherigen Zeilen sich gewundert haben, dass im Falle der Markierung des Feldes „aut idem – oder das Gleiche“, eben eine Herausgabe des Gleichen nicht geschehen darf, es also ausdrücklich verboten ist, das Gleiche herauszugeben, wenn „oder das Gleiche“ angekreuzt ist, dann hat der Leser verstanden, dass wir vom deutschen Gesundheitssystem reden.)
Sh
zitat
von...oben genannt...aus dem genannten forum
auch verwirrt, aber irgendwie scheint es ja tatsächlich so zu sein