Hi Rita,
"Telefonieren," was für ein schöner Euphemismus.
Natürlich lernt der Hund von einem Ruck an sich gar nichts. Der Ruck dient ausschließlich der Einforderung von Aufmerksamkeit und muß als solcher gelehrt werden. Den Hund nun plötzlich mit Leinenrucken zu überfallen, halte ich für primitiv und meistens kontraproduktiv. (Im Beispiel in diesem Thread hat der Welpe ja vom Kneifen (!!!) und Rucken gar nichts Richtiges gelernt, nur Angst und Meideverhalten.)
Ich mach das so: Am Normalhalsband kommt ein kleiner Ruck - Ruck (erst mal ganz sachte), und bevor der Hund die Möglichkeit hat, Meideverhalten zu zeigen, fliegt der Ball. Ruck, ruck - Ball. Über einige Tage oder Wochen (es kommt, wie immer, auf den Hund und die Situation an) erhöhe ich die Intensität. Nun lernt der Hund: Rucken bedeutet etwas Positives. Das Rucken wird also ein positives (aber eindeutiges!) Signal zum Aufmerken. Es ist ja wohl eine Binsenweisheit, daß der Hund aufmerksam sein muß, wenn er was lernen soll. Was nützt der schönste Vortrag vom Lehrer, während sich die Schüler gegenseitig Tintenkugeln an die Birne werfen oder Mickey Maus lesen?
Der Hund muß lernen: Ich MUSS jetzt aufmerken, aber dann passiert was Schönes. Wenn man nur mit Stimme und Bällchen und Körpersprache motiviert, fällt man sehr leicht in die Eskalationsfalle: Frauchen hampelt, schmeichelt und bittet mehr und mehr, belohnt dabei fast jeden Schritt, und Hundchen strengt sich dafür immer weniger an und läßt sich schneller ablenken.
Andersrum geht die Eskalationsfalle genauso: Man lehrt nicht richtig, ist ineffektiv beim Rucken und kommt dann nie davon weg. Das sind die Hunde, die jahrelang in jeder Übungsstunde an der Leine herumgerissen werden. Wie Pferde "hart im Maul" werden, werden diese Hunde systematisch (aber natürlich unabsichtlich) stoisch und hart gemacht. Die spüren Rucke schon fast gar nicht mehr, bei denen mein Hund in die Luft pinkeln würde.
Wer heutzutage noch z. B. "Platz" beibringt, indem er den völlig unpreparierten Hund runterzieht- oder ruckt, oder wie in diesem Thread beschrieben mit Welpen umgeht, ist ausbilderischer Analphabet und die Aufmerksamkeit nicht wert. Zwischen solchem Vorgehen und angemessener Ausbildung (auch gelegentlich mit Zwang) stehen Welten.
Die alten Methoden der 60ier und bis in die 80iger Jahre (Rucken und Loben) hatten aber den einen Vorteil: Der Hund lernte innerhalb der Übungen, Platz, Sitz, Fuß usw. auch seine Stellung im Rudel. Das Signal vom HF war klar: Ich bin der Chef und du tust was ich will. Wenn du nicht willst, oder es nicht kapiert mache ich es dir unangenehm - oder tue dir weh.
— Ich beeile mich zu versichern, bevor das jetzt wieder jemand in den falschen Hals bekommt, daß es gut ist, daß diese Methoden passé sind. —
Aber heutzutage muß man das doch sehr häufig vorkommende Problem des mangelnden Respektes vor dem HF/Besitzer, d.h. des angemessene Sozialverhaltens, entweder parallel zu den eigentlichen Übungen angehen, oder es den Übungen vorbauen, also im Welpen/Junghungalter dem Hund eintrichtern. Dieser Schritt wird aber oft völlig ignoriert.
Vera