Hallo Burkhard,
sehr interessantes Thema und nicht nur sommerlochtauglich
Ich habe ja vor Urzeiten in der klassischen Ausbildung der Hunde angefangen. Ich hatte damals schon Mühe, die Methoden nach "alter Väter Sitte" zu übernehmen. Den Hunden wurde jedes noch so winzige, selbständige Arbeiten oder gar Denken schon im Ansatz regelrecht ausgetrieben. Der sprichwörtliche Kadavergehorsam wurde nicht nur angestrebt, es wurde mit allen Mitteln versucht, ihn zu erreichen. Die Hunde hatten zu funktionieren und wenn sie versuchten, sich dagegen aufzulehnen, wurde ihnen das mit nicht sehr schönen Mitteln ausgetrieben und wenn das auch nicht gelang, wurden sie abgegeben. Leider gab es zu dieser Zeit nichts anderes, was man mit seinem Hund machen konnte und von den Erkenntnissen der Verhaltensforschung war man noch ein Stück entfernt. So wurde unser damaliger Hund auch noch gedrillt, was mir bis heute noch leid tut. Lange habe ich das nicht mit gemacht und da es keine Alternative gab, habe ich mich erst mal eine Weile vom Hundesport verabschiedet.
Ich erzähle das hier um zu verdeutlichen, dass ich die Unterschiede der Erziehung basierend auf absolutem Gehorsam und eben auch das Gegenteil aus eigener Erfahrung kenne.
Als ich wieder mit der Hundelei anfing, gab es schon Leute, die uns den Hund in seinem Verhalten erklären konnten und ganz andere Denkansätze hatten, die mir sehr entgegen kamen. Ich fühlte mich plötzlich viel wohler in der Hundeszene und bekam dadurch das geliefert, was ich immer schon wollte - einen Hund, der MIT mir arbeitete, der selbst kreativ sein durfte und dem sogar erlaubt wurde, auch mal Blödsinn zu machen. Zugegeben war diese Art der Arbeit mit den Hunden anstrengender, verlangte Gehirnschmalz vom Hundeführer und es gab auch öfter Misserfolge und Einbrüche - auch im Gehorsam.
Siehste, nun hab ich die Kurve bekommen
Lasse ich meinen Hund kreativ werden, probiert er zwangsläufig einiges aus und da ist mit Sicherheit auch etwas dabei, was mir nicht in den Kram passt. Ich bin schon eine Weile vom formalen Lernen zum Teil abgerückt. Nach einer Menge Prüfungen war mir das alles zu eng. Ich war durch die POs gezwungen, den Weg mit meinen Hunden auf Schienen zu gehen und das behagte mir nicht mehr. Trotzdem wollte ich natürlich Hunde, die alltagstauglich sind und eben auch gehorchten. Durch einige schlaue Leute bin ich dazu gekommen, meine Hunde mehr zu führen, als ihnen bestimmtes Verhalten an zu trainieren und - ich war erstaunt, mit wie wenig Aufwand ich meine Hunde, wenn es nötig war, unter Kontrolle hatte. Wenn man das Gehorsam nennen will, dann hatten sie den, obwohl ich ihnen kreativen Freiraum gelassen habe. Es gibt eine einzige formale Übung, die ich nach wie vor trainiere und bei der ich die Ausführung durch den Hund auf dem Punkt haben will und das ist das "Platz". Damit habe ich meinen Hund einfach immer, überall und in jeder Situation unter sicherer Kontrolle. Wenn mein Hund in eine Alltagssituation gerät, die ich nicht voraus sehen konnte und er ist ein gutes Stück von mir entfernt, nützt mir z.B. die Fixierung auf mich mittels permanentem Blickkontakt überhaupt nichts, weil mein Hund mich schlicht weg nicht anschauen kann. Da vertraue ich auch nicht auf seine kreativen Fähigkeiten, da kommt mit Nachdruck das "Platz" und da verlange ich wirklich 100%igen Gehorsam.
Was ein Hund zu leisten imstande ist dem man erlaubt, kreativ zu sein und mit zu denken, zeigt das Clicker Training. Mir geht immer wieder das Herz auf wenn ich sehe, wie ein Hund sich bemüht, eine Lösung und/oder andere Verhaltensweise zu finden und die Begeisterung und das Strahlen in seinen Augen zu sehen, wenn er es geschafft hat. Ich habe auch erlebt, wie schwer sich ein "Cross over Hund" tut - das ist ein Hund, der klassisch ausgebildet wurde und reiner Befehlsempfänger ist - plötzlich selbständig etwas tun zu sollen oder etwas auszuprobieren. Er hat große Hemmungen, plötzlich "ungehorsam" sein zu dürfen und dafür keine Strafe zu bekommen.
Damit das hier nicht zu lang wird, mein Fazit zum Gehorsam:
Ich möchte Hunde um mich haben, die ich gut lenken kann, die meine Führung annehmen, auch mal 100%ig Gehorsam sein müssen (Übung "Platz), aber ansonsten auch kreativ sein dürfen und dadurch frei im Kopf sind. Ich ärger mich lieber mal ab und zu, als dass ich eine Marionette neben mir habe.
Grüße von
Rita