Hallo Iris,
NATÜRLICH ist Knurren Aggression! Absolut! Ob es Sozialaggression oder Wehrverhalten ist, kommt auf den Hund und die Situation an. Knurrt er, weil er Angst hat und sich bedrängt fühlt (besonders, wenn er nicht ausweichen kann?) "Faß mich nicht an, geh weg! Laß mich in Ruhe! Mir gehen die Nerven durch." — dann ist es Wehrverhalten.
Analog beim Menschen wäre: "Hände hoch, oder ich schieße!" — Das ist keine freundliche Warnung wie: "Vorsicht, Stufe!" sondern eindeutig eine Androhung von Gewalt gegen einen Feind. Das Knurren des Hundes ist nichts anderes. Und wie es nun Menschen gibt, die noch etliche Male diese Warnung wiederholen (zum letzten Mal, ich zähle bis 3 usw.) gibt es Hunde, die lange, lange warnen und solche, die kaum oder gar nicht warnen, bevor sie zulangen. (Und auch hier spielt die Situation eine Rolle: In die Ecke gedrängt, wird schneller gebissen und weniger gewarnt.)
Knurrt er dagegen, weil er ein kleines Großmaul ist und besonders bei Fremden seinen Status wahren will? Im Sinne von: "Quatsch mich nicht blöd an und betatsch mich nicht! Ich erwarte Höflichkeit und Unterwerfung von dir, du Wurm?" — dann ist es Sozialaggression (und die kommt viel mehr bei intakten Rüden vor).
Beim Menschen würde ein Spruch wie: "Zieh Leine, dur Arsch, sonst baller ich dir eine!" ja auch als Aggression angesehen. Das Knurren ist so einem Ausspruch ähnlich. Analog beim Menschen gibt es ja auch milde Seelchen und mehr sozialdominante Wesen, besonders bei Überschreitungen persönlicher Grenzen.
Beispiel: Wenn mir im Restaurant mein unbekannter Gegenüber eine Fritte vom Teller klaute, würde ICH sofort reagieren mit: "Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank." (Außer natürlich, wenn der Kerl 2 Zentner wiegt und Tätowierungen auf den Armen hat.
— dann wäre ich wohl demütiger.) Genau wie ich weiß, wann ich mit Sozialaggression wahrscheinlich durchkomme und wann nicht, wissen Hunde das meistens auch!
Ich kann nicht überbetonen: Aggression an sich IST. Sie ist notwendig zum Überleben und nicht als negativ an sich zu sehen. Bei Menschen wie Hunden wird Aggression auch sublimiert (kanalisiert) und in kleinen, sicheren Schüben abgelassen in Konkurrenzspielchen von Tennis bis zum sich-Balgen bei Kindern und Hunden.
Und ich habe noch vergessen zu sagen: Frustration erhöht Aggression. (Bei der zweiten Fritte hätte ich schon Schaum vor dem Maul — "Sag mal, hörst du schlecht??' :-o ) Aber erst beim dritten Mal könnte er sich die Fritten aus den Ohren klauben. :weg:
Es ist unerläßlich zu verstehen, ob ein Hund aus Wehrverhalten oder aus Sozialaggression agiert. Bauchgefühl ist gut, aber Hirn und analytisches Denken müssen auch eingesetzt werden. Nur so kann man mit Aggression konstruktiv umgehen und sie möglicherweise verringern oder umleiten. Ein Hund, der unangebrachte Sozialaggression zeigt, braucht mehr Demut!! Ein Hund, der dauernd meint, sich wehren zu müssen, braucht mehr Selbstvertrauen. An beidem kann man als Besitzer und/oder Ausbilder arbeiten.
Ein Hund aber, der aus hohem Beutetrieb heraus beißt (sich z. B. gut gelaunt ein Kind vom Skate Board holt) braucht einfach mehr Gehorsam!
Langatmig wie immer
Vera