@Rita
Ich fürchte, meine Antwort auf Deine Frage wird etwas lang ausfallen...
Es gab vor Jahren einmal eine Spiegel-Titelstory, die hieß "Buddhismus: Religion ohne Gott".
Eine ziemlich geniale Kurzbeschreibung, finde ich: Im Buddhismus glaubt man an keinen Gott, Buddha - der Religionsgründer - hat nachweislich gelebt und viele kluge Gedanken niedergeschrieben, dabei seine Anhänger aber immer zur Skepsis und zum eigenen Denken aufgefordert und nicht zur blinden Gefolgschaft und Personenkult. Allein schon das hat mir imponiert, als ich es das erste Mal las!
Stark vereinfach ausgedrückt, ist Buddha letztendlich ein Sinnbild für Vollendung, die jeder Mensch, irgendwann, nach vielen, vielen Leben, erreicht, wenn er ins Nirwana eingeht - damit verlöschen alle "weltlichen" Ängste, Begierden und Wünsche. Beweisbar ist das alles ebensowenig wie alles, was Christentum oder Islam usw. lehren. Mir gefällt am Buddhismus vor allem auch, dass es keinen drohenden Gott gibt (wie beispielsweise den des Alten Testaments) und dass dies die einzige Religion (oder eigentlich eher eine Philosophie) ist, in deren Namen
noch nie missioniert, Gewalt angewandt oder Kriege geführt wurden.
Ich habe in San Francisco ein private katholische Mädchenschule besucht und komme aus einer eher traditionellen Familie. Trotzdem hatte ich schon als Kind keinen Bezug zu allem Christlichen und als Teenager las ich irgendwann den Satz (ich glaube, es war ein Buch des Schriftstellers Noah Gordon) "ALLE Götter sind eine Erfindung der Menschen". Dieser Satz hat genau das ausgedrückt, was ich immer dachte und nie auszusprechen wagte. Ich empfand ihn geradezu als Befreiung. Als ich mit dem Studium anfing, konnte ich meinen Atheismus zum ersten Mal wirklich ausleben, auch das war eine Befreiung: nicht mehr jeden Morgen vor dem Unterricht beten, zur Kirche gehen...
Als dann mein heißgeliebter erster Hund starb, fragte ich mich zum ersten Mal, ob das wirklich alles ist. Durch Zufall kam ich gerade in dieser Zeit der Trauer an ein Buch eines buddhistischen Mönchs, Thich Nhat Hanh: Das Glück, einen Baum zu umarmen. Darin geht es auch um Tod und Verlust und die Worte haben mich tief berührt und auf seltsame Weise getröstet. Danach fing ich an, mich mit dem Buddhismus ernsthaft auseinanderzusetzen und habe für mich den richtigen Weg gefunden. An Gott kann ich noch immer nicht glauben und ich verspüre auch kein Bedürfnis, mir ist das alles zu wenig fassbar, zu unlogisch, zu viel Legende, zu viel Interpretation und nichts wissenschaftlich Beweisbares, ich sehe überall Widersprüche und mich stört auch - wie im Islam - diese Absolutheit, die Theorie vom einen, einzigen, wahren Gott. Natürlich hält auch die buddhistische Theorie der Wiedergeburt und des Nirwana keinen wissenschaftlichen Kriterien stand, aber davon abgesehen gibt es im Buddhismus viele Aspekte, die klar und absolut nachvollziehbar sind - jedenfalls für mich.
Ich denke, letzten Endes ist es egal, ob und was man glaubt, ob das, was man glaubt nachprüfbar, erforschbar oder beweisbar ist: Wichtig ist einzig und allein, dass es einem hilft, besser durchs Leben zu kommen und man trotzallem nicht vergisst, dass kein Glaube, keine Philosophie und keine Religion für sich den Anspruch der Absolutheit erheben sollte. Der Dalai Lama hat es wie so oft ganz wunderbar auf den Punkt gebracht: Das Herz aller Religionen ist eins.
Viele Grüße
Caroline