@Helen
Problematisch ist am Wehrtrieb doch, dass die Bedrohung bei einem überforderten Hund Meideverhalten auslösen kann, also gerade das Gegenteil des Gewollten. Es ist Aufgabe des Helfers, genau den richtigen Reiz zu setzen, dass sich der Hund zwar bedroht fühlt, aber der Situation gewachsen ist und sofort Gegenmaßnahmen ergreift indem er gegen den Helfer erfolgreich kontert. Ein nervenschacher Hund kann durch die Ausbildung über den Wehrtrieb jedoch leicht zum Angstbeißer werden. Er befindet sich in großem Stress, da er glaubt, sich unter Einsatz seines Lebens verteidigen zu müssen. Das wäre für einen VPG-Schutzhund aber eher kontraproduktiv. Denn ein unsicherer Hund im Wehrtrieb ist nur schwer führbar und wird seine Aufgaben während des Schutzdienstes nicht zuverlässig bewältigen können. Auch außerhalb des Hundeplatzes wäre dieser Hund aus seiner Unsicherheit heraus nur schwer kontrollierbar. Und eins ist klar - wenn ein Hund von der Größe und Kraft eines RS zum Angstbeißer wird und lernt, Angst und Frust durch Attacken zu überwinden, ist er kaum noch zu halten.
Bedenken sollte man auch, welch eine verheerende Auswirkung es für das Vertrauen des Hundes gegenüber seinem Sozialpartner Mensch haben muss, wenn dieser ihn in solch bedrohliche Situationen führt und ihn dann "allein" lässt. Die Verteidigung des Rudels ist normalerweise Aufgabe des Rudelführers, also des Menschen. Wenn ein Hund nach vorne gehen und die Rolle des Beschützers übernehmen soll, geht das mit einer dominanten Rolle des Hundes Hand in Hand. Und dann kommt es auch schon mal vor, dass der Hund mit den Zähnen seinem Herrn die Grenzen setzt! :-o
Es nervt mich ,wenn die "AGGRESSION" immer den höchsten Stellenwert hat,denn es ist immer eine
soziale Aggression und ausschließlich eine Folge von Konkurrenz, d.h. der Helfer ist der Konkurrent des Hundes und der Hund lernt, sich gegen seinen Kontrahenten durchzusetzen. Im Beutespiel = Schutzdienst sieht der Hund den Figuranten nicht als Feind, der vernichtet werden muß. Sondern als Sozialpartner. Und die Aggression, die er einsetzt, um seinen Sparringspartner zu beeindrucken (damit ihm dieser die Beute überläßt), ist somit beutebezogen. Der Hund hat keine Angst um sein Leben und hegt keine Tötungs- oder Beschädigungsabsicht gegen den Kontrahenten. Schutzdienst ist eine ritualisierte Auseinandersetzung zwischen Helfer und Hund. Der entscheidende Punkt ist, dass diese Aggression sich nicht GEGEN den Menschen richtet, sondern FÜR das Erreichen des Triebziels, den Besitz der Beute, eingesetzt wird. Das unterscheidet den Beute- vom Wehrbereich.
Ich bin der Ansicht ,dass
man im Hundesport gar keinen aggressiven Hund gebrauchen kann , man würde sich damit nur Probleme im Sport schaffen. Denn diese heute als Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde bezeichnete Sportart hat das Ziel, einen Hund in reizstarken Belastungssituationen durch Rufzeichen unter Kontrolle zu halten.
Im Sport braucht man jedoch einen Hund, der gerne und ausdauernd auch mit Fremdpersonen Beutespiele und -kämpfe macht. Ein Sporthund muss im Spiel fähig sein, bei einem starken Gegner nicht gleich auszusteigen oder in das Wehrverhalten zu fallen. Ein Sporthund verbellt den Helfer, weil er dessen Ärmel (die Beute) haben will und sauer wird, dass er ihn nicht bekommt. In Bedrohungssituationen droht ein Sporthund lediglich zurück - er wird nicht gleich aggressiv.
Mal als Beispiel: In der VPG 3 muss der Hund um 6 Verstecke revieren, obwohl er genau weiß dass der Figurant erst im letzten Versteck steht. Für den Hund ist das Laufen dieser Umwege sehr schwer, und viele versuchen, einfach abzukürzen und ein paar Verstecke auszulassen. Kommt der Hund dann endlich zum letzten Versteck und "findet" dort den Figuranten, darf er immer noch nicht an den Ärmel, sondern muss erst noch Verbellen. Hat er das ausgiebig gemacht, gibt es immer noch keine Belohnung in Form eines Zerrspiels mit dem Ärmel. Der Hundeführer ruft seinen Hund erst "bei Fuß", das heißt, der Hund muss den Figuranten mit dem geliebten Ärmel sogar wieder verlassen. Dann geht es einige Schritte bei Fuß, dann muss der Hund noch abliegen, wobei der Hundeführer sich wieder zurückzieht. Und erst dann - endlich - wenn der Figurant "flieht" darf der Hund hinterher und einbeißen.
Ich glaube, diese Übung zeigt sehr gut, wie viel Gehorsam dazu gehört und wie lange der Hund auf seine Belohnung in Form eines Zerrspiels warten muss. Das Beißen ist lediglich der Abschluss einer langen Übung. Und ich finde es nicht gut, wenn man immer nur über den Schlusspunkt diskutiert, nie aber darüber, was der Hund vorher an Gehorsam leisten musste.
Gruß Heike mit RS Gismo