Ich habe es mir ausgedruckt und hängs an die Gartentür
also wenn man folgendes Urteil nimmt, wäre ich sehr vorsichtig, Grundstücke oder Wohnung zu betreten, von denen ich weiss, dass ich dort Bekanntschaft mit einem oder mehreren Hunden machen könnte.
Kenntnis erlangt man nach meiner Auffassung schon durch ein Warnschild - egal welcher Art.
OLG München 14. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 05.10.2000
Aktenzeichen: 14 U 1010/99
Leitsatz:
Hat der durch den Hund Verletzte das Haus betreten ohne vorher zu klingeln, und konnte er aufgrund des hierdurch verursachten Lautgebens des Hundes erkennen, daß er mit einem aggressiven Verhalten wegen des Eindringens in das Revier rechnen mußte, ist die Haftung des Tierhalters wegen schuldhafter Selbstgefährdung ausgeschlossen
Unstreitig zwischen den Parteien ist, daß der Beklagte zu 1) Tierhalter i. S. d. § 833 S. 1 BGB ist. Danach ist er verpflichtet, dem Verletzten den durch sein Tier entstandenen Schaden zu ersetzen. Seine Ersatzpflicht ist nicht durch § 833 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die dortigen Voraussetzungen auf den Beklagten zu 1) nicht zutreffen. Somit hätte der Beklagte zu 1) aus Gefährdungshaftung für den vom Kläger geltend gemachten Schaden einzustehen.
Diese Schadensersatzpflicht aus Gefährdungshaftung tritt jedoch im vorliegenden Fall zurück, da das Mitverschulden des Klägers bei der Schadensverursachung in solchem Maße überwiegt, daß für eine Haftung der Beklagten aus Gefährdungshaftung kein Raum mehr bleibt.
Bei dem mitwirkenden Verschulden ist auf der einen Seite die Tiergefährdung, auf der anderen Seite das Maß des Verschuldens und der Verursachung zu berücksichtigen. Schuldhaft handelt der Verletzte, wenn er die Sorgfalt außer acht läßt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zu beobachten pflegt, um sich vor Schaden zu bewahren (Palandt/Thomas, a.a.O., Rn. 13 zu § 833).
Das Verschulden des Klägers ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr zu würdigen. Der von der Rechtsprechung und Lehre entwickelte Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr ist erfüllt, wenn sich jemand bewußt in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt; während die ältere Rechtsprechung in diesen Fällen eine konkludente Einwilligung in die mögliche Schädigung bejaht hat, besteht jetzt Einverständnis darüber, das Handeln auf eigene Gefahr als schuldhafte Selbstgefährdung unter § 254 BGB fällt; bei der Gefährdungshaftung kann das Handeln auf eigene Gefahr ein Haftungsausschlußgrund sein, bei der Tierhalterhaftung aber nur, wenn sich der Verletzte bewußt Risiken aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen (Palandt/Thomas, a.a.O., Rn. 76 zu § 254).
Im vorliegenden Fall ist die schuldhafte Selbstgefährdung des Klägers von so erheblichem Gewicht, daß die Gefährdungshaftung der Beklagten zurücktritt. Die gebotene Haftungsabwägung kann nur vollständig zu Ungunsten des Klägers ausschlagen, wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist.
Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, daß der Kläger vor Betreten des Hauses festgestellt hat, daß die Klingel nicht funktioniert. Dennoch betrat er das Haus, obwohl er wußte, daß sich in der Wohnung der Beklagten die beiden Hunde befinden und er das Anwesen nicht ohne Zustimmung der Beklagten betreten durfte. Nachdem er vor dem Öffnen der Wohnzimmertüre auf sein Klopfen hin keine Antwort erhalten hatte und mitbekam, daß im Wohnzimmer ein Staubsauger lief und die Hunde zu bellen begonnen haben, öffnete er gleichwohl die Wohnzimmertüre. Dem Kläger mußte dabei bewußt sein, daß er sich mit dem Betreten des Wohnzimmers im "Herrschaftsbereich" der darin anwesenden Hunde befand. Er mußte dann mit einer aggressiven Reaktion der Hunde rechnen, die sich plötzlich einem "ungebetenen Gast" in ihrem "Herrschaftsbereich" gegenübersahen. Dabei konnte der Kläger nicht davon ausgehen, daß die anwesende Person, die Beklagte zu 2), unmittelbar die Möglichkeit hatte, auf die beiden Hunde einzuwirken, da die Beklagte zu 2) das Klopfen des Klägers infolge des Staubsaugerlärms offensichtlich nicht gehört hat. Der Kläger durfte auch nicht aufgrund des Umstandes, daß die Hunde ihn von früheren Besuchen kannten und dabei in keiner Weise aggressiv geworden sind, damit rechnen, daß diese ihm in der vorliegenden Situation nicht aggressiv entgegentreten würden. Denn bei seinen Besuchen bei den Beklagten wurde der Kläger jeweils im Beisein der Beklagten und unter deren Kontrolle als Gast in die Wohnung hineingebeten, so daß die Hunde kein unbefugtes Eindringen in das Gebäude wahrnehmen konnten. Im vorliegenden Fall mußte den Hunden der Kläger als "ungebetener Gast" erscheinen, den es abzuwehren gilt.
Selbst wenn die Haustüre des genannten Anwesens offengestanden hat und die Klingel nicht funktionierte, war der Kläger gehalten, sein Erscheinen durch geeignete Maßnahmen anzukündigen, um dem Wohnungsinhaber Gelegenheit zu geben, ihn hereinzubitten und gleichzeitig vor den anwesenden Hunden zu schützen. Als geeignete Maßnahme wären dabei in Frage gekommen, das Ende des Staubsaugens abzuwarten oder durch lautes Rufen auf sich aufmerksam zu machen. Denn der Kläger hatte selbst bemerkt, daß sein Klopfen von der Beklagten zu 2) nicht gehört wurde. Selbst wenn die Beklagte zu 2) mit dem Erscheinen des Klägers an diesem Vormittag gerechnet hätte, durfte sie die Hunde in ihrer Wohnung unangeleint halten, solange sich der Kläger nicht ordnungsgemäß bei ihr gemeldet hatte.
Im übrigen bringt der Kläger selbst vor, mit Hunden Erfahrung zu haben, da er selbst viele Jahre Halter von Schäferhunden gewesen sei. Aufgrund dieser jahrelangen Erfahrung mußte der Kläger damit rechnen, daß sich Hunde aggressiv verhalten könnten, wenn sie durch das plötzliche und unerwartete Erscheinen von Personen in ihrem "Herrschaftsbereich" gestört werden und ihr Revier gegen unerwarteten Besuch zu verteidigen beginnen.
Der Kläger hat sich durch das Betreten des Wohnzimmers in grober Weise schuldhaft selbst gefährdet. Bei der gebotenen Haftungsabwägung zwischen der Gefährdungshaftung und dem schuldhaften Verhalten des Klägers kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß die Gefährdungshaftung wegen des dem Kläger anzulastenden erheblichen Mitverschuldens bei der Schadensverursachung völlig in den Hintergrund tritt und deshalb eine Haftung gemäß § 833 S. 1 BGB in vorliegendem Fall entfällt . Der Kläger hat sich bewußt Risiken ausgesetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen. Durch das Betreten des Wohnzimmers hat er das aggressive Verhalten des Hundes geradezu herausgefordert. Seinem Handeln auf eigene Gefahr hat er den Biß des Hundes zuzuschreiben.
Die Berufung des Klägers war somit zurückzuweisen, da das Erstgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat
Grüsse
Ralf